{"id":690,"date":"2020-11-07T18:37:16","date_gmt":"2020-11-07T17:37:16","guid":{"rendered":"https:\/\/www.ctbeatles.de\/?page_id=690"},"modified":"2021-03-13T21:10:26","modified_gmt":"2021-03-13T20:10:26","slug":"hj-lim-beethoven","status":"publish","type":"page","link":"https:\/\/www.ctbeatles.de\/press\/hj-lim-beethoven\/","title":{"rendered":"HJ LIM Beethoven Vortrag"},"content":{"rendered":"

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HJ LIM Beethoven Vortrag<\/p><\/h2><\/span>

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\u00dcberlegungen zum richtigen Vortrag der Beethovensonaten<\/strong><\/span>
\n(Hans Ulrich Behner)<\/p>\n

\"HJ

Hans Ulrich Behner mit HJ Lim (18.01.2016)<\/p><\/div>\n

W\u00e4hrend der seit einigen Jahren als bester lebender Pianist gefeierte Gregorij Sokolow<\/strong> sich unter anderem mit seiner Interpretation von Beethovens Hammerklaviersonate\u00a0 op.106 auf einem breiten Strom der Weltweisheit<\/strong> hinsichtlich seines gem\u00e4chlichen Tempos treiben l\u00e4sst, wirkt die junge 1988 geborene koreanisch \u2013 franz\u00f6sische\u00a0 Ausnahmepianistin HJ LIM<\/strong> wie ein erfrischender Springquell nahe des Ursprungs, welcher der musikalischen Nachwelt durch Carl Czernys Edition von 1842<\/strong> sowie einer von ihm selbst revidierten\u00a0 Neuauflage von 1850 bei Simrock in Bonn<\/strong> erhalten ist. Erstaunlicherweise hat dieser Beethovensch\u00fcler ab 1801 und sp\u00e4tere Lehrer von Franz Liszt eine bewusste \u00c4nderung seiner fr\u00fcheren Metronombestimmungen der Beethovensonaten bewusst vollzogen und auch selbst aufgef\u00fchrt und sp\u00e4ter seinem Sch\u00fcler Liszt vermittelt. Diese Ver\u00f6ffentlichungen waren nat\u00fcrlich sowohl f\u00fcr die Wiener Klaviermechanik als auch f\u00fcr Britannien mit seiner Englischen Mechanik bestimmt. Aus diesem Grunde erscheinen Czernys Publikationen auch f\u00fcr die heutige Musikwelt von Interesse zu sein, da Czerny im Gegensatz zu Beethoven nicht ertaubte und somit gewissenhafte Erinnerungen an die metronomischen Absichten<\/strong> seines gro\u00dfen Meisters unter seiner Kontrolle<\/strong> hatte. \u00dcberraschenderweise katalogisiert Czerny nur 29 Klaviersonaten<\/strong>, weil er neben op. 49, 1 und 2 auch die Sonate op. 79 in G Dur den Sonatinen zuordnet. HJ LIM<\/strong> beinhaltet auf ihrer EMI Gesamteinspielung von 2012 30 Sonaten, nach Czernys Definition eine<\/strong> Sonate zu viel, nach Ansicht der heutigen Kritiker zwei Sonaten zu wenig ! Jedoch n\u00e4hert sich HJ LIM<\/strong> wie zuvor Artur Schnabel<\/strong> in erstaunlicher Weise den historischen Vorgaben, weil sie im Sinne von Czerny sowohl das richtige Tempo<\/strong>, die Beherrschung aller sonstigen Schwierigkeiten und die genauen Vortragsangaben bew\u00e4ltigt. Czerny betont ausdr\u00fccklich eben dieses richtige Tempo des M\u00e4lzelschen Metronoms zwecks Vermeidung einer Verf\u00e4lschung des Charakters des Tonst\u00fccks bei einem falschen Zeitma\u00df<\/strong>. Au\u00dferdem verdeutlicht er, dass manche unfertige und nicht bravour\u00f6se Spieler sich auch bei den aufregendsten Tonst\u00fccken mit einem ruhigeren und bescheideneren Vortrage begn\u00fcgen und diesen dann auch noch f\u00fcr den Wahren halten. Im Klartext bedeutet dies, dass viele Pianisten in Ermangelung an Technik dem Publikum ihre mangelhaften F\u00e4higkeiten<\/strong> als erleuchtete esoterische durchaus beabsichtigte Interpretationen<\/strong> verkaufen wollen. Leider wird dieser Trend der Entschleunigung<\/strong> in weiten Kritikerkreisen dann auch noch als besonders genial proklamiert, w\u00e4hrend die Leistung eines Artur Schnabels<\/strong> in den 1930ern Jahren und von HJ LIM<\/strong> in unserer Gegenwart von vielen immer noch als zu virtuos, kindisch und unreif denunziert<\/strong> werden. Beim Studium der Wiederver\u00f6ffentlichung von Czernys \u201e\u00dcber den richtigen Vortrag der s\u00e4mtlichen Beethovenschen Klavierwerke \u201e der Universal Edition von 1963 tauchen wir jedoch ein in eine faszinierende und spannende Klavierspielpraxis, wie sie in den 1950er und 1960er Jahren nur noch von Enkelsch\u00fclern Schnabels, wie z.B. dem 1989 verstorbenen japanischen Virtuosen Hiroshi Kajiwara<\/strong> live gepflegt wurde. Auch Friedrich Gulda<\/strong> strebte das Beethovensche Ideal an, w\u00e4hrend Alfred Brendel<\/strong> 1976 und 2001 kapitulierend jammerte, dass Beethovens Hammerklaviersonate von keinem Menschen und sei es der Teufel pers\u00f6nlich auch nur ann\u00e4hernd bew\u00e4ltigt werden k\u00f6nnte. Dank der hochbegabten Jahrhundertbegabung\u00a0 HJ LIM<\/strong>, k\u00f6nnen wir uns in moderner Aufnahmequalit\u00e4t vom Gegenteil \u00fcberzeugen lassen. Die EMI\/Warner Brothers Gesamteinspielung der 29 Sonaten und der Sonatine op.79 in G-Dur stehen schlie\u00dflich jedermann zum kritischen Vergleich mit Czernys\u00a0 historischem Verm\u00e4chtnis zur Verf\u00fcgung und k\u00fcndigen gewaltiges aufregendes Beethovenspiel an. Allein der neunmin\u00fctige Liveausschnitt in YouTube<\/strong> von LIMs Interpretation der Hammerklavierfuge<\/strong> stellt gegenw\u00e4rtig eine so\u00a0 unvergleichliche pianistische Spitzenleistung dar, wie sie\u00a0 objektiv weder Igor Levit, Gulda, Buchbender und schon gar nicht Brendel und Barenboim jemals in ihrem Leben erreicht haben. Sokolow<\/strong> spielt als esoterisches Schlusslicht<\/strong> die erste Fuge von op. 106, 4. Satz sogar 90 Sekunden langsamer als LIM<\/strong>. LIM <\/strong>ben\u00f6tigt 4 Minuten 46 Sekunden, Sokolow 6 Minuten 16 Sekunden<\/strong>!! Bei LIM ist zudem nichts manipuliert oder gef\u00e4lscht und jeder Ton sauber gespielt!!! Beim dritten Satz von op. 106 ergibt sich durch die Tempoangabe 96 pro Achtel<\/strong> eine Gesamtl\u00e4nge von ca. 13 Minuten<\/strong>, was von LIM (12, 45 Min.) und Gulda (13 Min.) auch zufriedenstellend eingehalten wird. Bei Sokolow wird der Satz bis zur Unkenntlichkeit auf 23 Minuten zerdehnt. Joachim Kaiser<\/strong> vertritt die These, dass bei op.106 die Beinahe \u2013 Unm\u00f6glichkeit, Riesenanspannung und Tempi eben<\/strong> nicht Sache der freien Wahl<\/strong>, sondern von Beethoven vorgeschrieben sind. Kaiser erhebt weiterhin die These, dass ein Spieler, welcher aus Bequemlichkeit abweicht, auf Grund der Hammerklavier Rechtslage die Beweislast tr\u00e4gt! Ich schlie\u00dfe mich dem an mit der Feststellung, dass viele Pianisten unkritisch durch Verlangsamungen<\/strong> hochdramatische Werke gewisserma\u00dfen verharmlosen<\/strong>, indem sie den riesenhaften Beethovenschen Energien riesige Bremskr\u00e4fte<\/strong> entgegensetzen. Wenn Beethoven schnellen und humoristischen Vortrag im Scherzo fordert, entschlie\u00dfen sich viele Pianisten zu Vorsicht mit der b\u00f6sen Ahnung, dass sie ja eigentlich viel zu langsam sind. Beim von Sokolow zerdehnten dritten Satz von op.106 steht kein \u201eAdagio\u201c<\/strong>, sondern ein \u201eAppassionato con molto sentimento\u201c.<\/strong> Sokolow verwandelt somit eine leidenschaftliche Ballade in einem langweiligen Adagio Monolog!! Bei dem Schlussfugenkomplex verf\u00e4llt er in verweichliche Abgr\u00fcndigkeit<\/strong> anstatt die durch das prestissimo bedingte leidenschaftliche ausdrucksvolle Spannung. Insbesondere und im minderen Falle schwache Pianisten verbergen diese unnat\u00fcrliche Langsamkeit<\/strong> unter dem \u00a0Deckmantel von Klarheit, Sch\u00f6nheit und \u00c4sthetik. <\/strong>\u00a0Diese Haltung widerspricht jedoch einer vermeintlichen Problemlosigkeit, da \u201eKlarheit\u201c und \u201evorsichtige Demonstration\u201c nicht immer der Weisheit letzter Schluss sind, wenn dadurch der Charakter der Schlussfuge von op.106 zu viel einb\u00fc\u00dft! Joachim Kaiser spricht hier ironisierend vom \u201eWunschkindlichen im reinlichen Matrosenanzug\u201c!\u00a0 Abschlie\u00dfend schlussfolgere ich, dass Interpreten, welche sich jeder Schwierigkeit entziehen, dem H\u00f6rer einen uninteressanten Ersatz<\/strong> liefern, bei dem Rationierung zu deutlich sp\u00fcrbar ist. Zu gro\u00df ist die Versuchung einer Temporeduzierung aus eher manuellen als musikalischen Gr\u00fcnden<\/strong>, obwohl doch gerade das korrekte Tempo ein wesentlicher Bestandteil des Komponisten darstellt.<\/strong><\/span><\/p>\n<\/div><\/div><\/div><\/div><\/div><\/div>